Marlis Meier

Fachverantwortliche Infozentrum Sursee SAH Zentralschweiz

Es kommen auch Leute zu uns, die in ihrem Leben noch nie eine Bewerbung zusammengestellt haben. Nach 40 Jahren loyaler Arbeit für eine Firma erhalten sie zwei Jahre vor ihrer Pensionierung die Kündigung. Sie haben der Firma gedient und persönliche Ziel oft zurückgesteckt.

Marlis Meier

Eigentlich haben wir nur den Auftrag, einen Lebenslauf und einen einfachen Bewerbungsbrief zu verfassen. Doch oft vermag mich das Standardmodell nicht zu überzeugen. Es wirkt für die Person, die mir gegenüber sitzt, fremd. Für mich geht es irgendwie darum, in einem oder zwei Sätzen etwas Spannendes von der Person zu zeigen und aufzeigen, was sie ausmacht.

Wer heute keine PC-Kenntnisse hat, ist oft schon durch die Hürden im Bewerbungsverfahren vom Arbeitsmarkt abgeschnitten. Zudem ist der visuelle Auftritt einer Bewerbung in allen Branchen wichtiger geworden. Wir von den SAH Infozentren bieten sehr niederschwellige Unterstützung bei Stellenbewerbungen. Personen können ohne Voranmeldung zu uns kommen. Wir verfassen für sie die Bewerbungsunterlagen. Einige brauchen lediglich einmalige Unterstützung, um ihre Unterlagen aufzufrischen oder um einen neuen Lebenslauf zu verfassen. Die allermeisten der Besuchenden kommen aber mehrmals zu uns.

Seit 2014 arbeite ich mit einem Pensum von 30% mehrheitlich im Infozentrum Sursee. An meinen Arbeitstagen - Montag und Donnerstag - starte ich um 9.30 Uhr. Es bleibt dann noch eine halbe Stunde Zeit, um mit meiner Arbeitskollegin diverse Vorbereitungen zu treffen. Um 10 Uhr geht es los. Frau K. wartet schon.

Eine ausgedehnte Aufwärmphase ist nicht möglich und daher komme ich nach dem Grüezi gleich zur Sache. Frau K. nimmt Platz und dann heisst es einfach: Zack, die Situation erfassen und loslegen.

Im besten Fall bringen die Leute die wichtigsten Unterlagen bereits zur ersten Sitzung mit. Frau K. hat ihre Dokumente in einem Sichtmäppli dabei. Im Schnellzugstempo stelle ich dann einen Lebenslauf mit Foto zusammen. Persönliche Daten, Berufliche Erfahrung, Ausbildung, Referenzen - das Ganze darf gemäss Leistungsvertrag in 80% der Beratungen nicht länger als 15 Minuten dauern. Reicht die Zeit, so ist zusätzlich ein Standard-Bewerbungsbrief das Ziel.

Unsere Arbeit im Infozentrum erfordert viel Pragmatismus. Um der knappen Zeit ein Schnippchen zu schlagen, habe ich mich organisiert. Je nach Berufshintergrund wähle ich eine meiner persönlichen Stammvorlagen und passe diese an den Eckpunkten an. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich manche Sätze bereits 1000 Mal geschrieben habe.

Pro Arbeitstag rechne ich mit acht bis zehn Gesprächen. Kommen neue Leute oder ist die Situation etwas verzwickt, dann geht alles länger. Wenn ich dann sehe, dass zehn oder mehr Personen im Warteraum sind und mit einer Stunde Wartezeit rechnen müssen, spüre ich den Druck schon. Wahrscheinlich werde ich dann auch ein wenig mechanistischer.

Das ist die eine Seite an meinem Beruf. Und dann gibt es die andere, die menschliche Seite.

Gegeben ist, dass wir eingebunden sind in den formalen Takt. Der Mensch steigt ein und hat Zeit, Raum und meine volle Präsenz. Menschen berichten mir aus ihrem Leben. Sie möchten das Geschehene verarbeiten. Ich höre einfach zu.

Unsere Besuchenden stammen meistens aus den Branchen Gastronomie, Reinigung, Pflege, Bau oder Produktion. Sie arbeiteten temporär, als Aushilfe oder sind erwerbslos. Oft verfügen sie über ein Eidgenössisches Berufsattest oder allenfalls eine ausländische Ausbildung, die in der Schweiz nicht anerkannt ist.

Es kommen auch Leute zu uns, die in ihrem Leben noch nie eine Bewerbung zusammengestellt haben. Nach 40 Jahren loyaler Arbeit für eine Firma erhalten sie zwei Jahre vor ihrer Pensionierung die Kündigung. Sie haben der Firma gedient und persönliche Ziel oft zurückgesteckt. Sie fühlen sich im Stich gelassen und in ihrem Gerechtigkeitsempfinden getroffen. Ich versuche dann im Gespräch den Fokus vom Einzelschicksal zu öffnen, um ihn auf die Zukunft richten zu können.

Viele der Besuchenden sind vonseiten der RAV zu 8 bis 12 Stellenbemühungen monatlich verpflichtet. Sie sind entsprechend dankbar für unsere Unterstützung. Direktes Feedback zu unserer Arbeit kriegen wir aber nicht oft. Irgendwann kommen die Leute einfach nicht mehr - im besten Falle, weil sie eine Stelle gefunden haben.

Und dann gibt es auch ganz schöne Erlebnisse. Letzte Woche ist ein Mann zu mir gekommen, den ich vor zwei Jahren bereits beraten hatte. Er wollte unbedingt, dass ich ihm einen Bewerbungsbrief verfasse. "Frau Meier," sagte er mir dann mit einem grossen Lachen, "Sie haben mir das letzte Mal viel Glück gebracht".

Um 16 Uhr ist Schluss. Wir haben noch eine halbe Stunde, um aufzuräumen. Danach ist alles erledigt.


Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

SAH Zentralschweiz
Birkenstrasse 12
Postfach 3867
6002 Luzern
T 041 418 71 81

www.sah-zentralschweiz.ch

Geschäftsleitung: Ursula Schärli